Wir berliner
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Akt III

„... ob Berlin darauf aus war, ein Paris zu sein?“

Der Titel des Aktes ist ein wenig trotzig und fordert gleichzeitig den Stolz der Berliner heraus. Den Satz „... ob Berlin darauf aus war, ein Paris zu sein?“ verfasste Witold Gombrowicz 1963, zu dem Zeitpunkt, als er in Berlin Stipendiat der Ford-Stiftung war. Gombrowicz lernte nicht das Berlin der Jahrhundertwende vom 20. zum 21. Jh. kennen. Er sah nicht das Berlin, das sich problemlos auf der Landkarte der kulturellen Hauptstädte Europas zurechtfindet, diese sogar mit seiner Dynamik und der Qualität des kulturellen Lebens überholt; das eine für die Künstler, Schriftsteller und Wissenschaftler aus der ganzen Welt freundliche Aura schafft.

Es war aber nicht immer so. Zu Beginn unserer Geschichte, Anfang des 18. Jh. startete Berlin aus der Position einer Provinzstadt, um die Rolle der „multikulturellen Spreemetropole” zu übernehmen. Damals war in der Tat Paris die „Kulturhauptstadt Europas“. Berlin zog nicht unbedingt Künstler und Mäzene an, sondern galt als Umsteigestation auf deren Wege nach Paris, London oder Rom. Es kam sogar vor, dass manche Berliner auf der Suche nach Inspiration auch auf den Hof der Warschauer Wettiner gelangten. Der Kosmopolitismus des adligen Europas trug dazu bei, dass die nationale Frage nicht die Rolle spielte, die sie in dem „langen 19. Jahrhundert“ inne hatte.

Polen begleiteten von Anfang an die „kulturelle Entwicklung“ Berlins in unterschiedlichem Maße. Wenige von ihnen blieben hier dauerhaft und wurden zu Berlinern. Die Spuren ihrer Anwesenheit sowie jene der polnischen Einflüsse verschwanden meist aus dem Gedächtnis der Berliner, wurden verwischt oder manchmal durch die deutsche Kultur angeeignet.

Dieser Aktes soll die Erinnerung „auffrischen“, auf die Schaffenden und ihre Werke, die im Zusammenhang mit Berlin stehen, aufmerksam machen: Berlin und die modernen Strömungen, die hier ihren Ursprung hatten, wurden zur Inspiration für diese Künstler; die von ihnen hinterlassenen Werke bereichern die kulturelle Landschaft der Stadt und erweitern damit die Perspektive des deutsch-polnischen Dialogs.

In die Erzählung über das polnische Berlin führt dieser Akt zusätzliche Fragen ein, die für den heutigen Besucher paradox klingen mögen: Wie konnte Daniel Chodowiecki gleichzeitig ein Pole, ein Preuße und Sohn einer französischen Hugenottin sein? Warum ist Wojciech Kossak – ein polnischer Nationalmaler – während der Zeit des deutsch-polnischen Konflikts ein Hofmaler des Kaisers Wilhelm II? Wer erinnert sich an den polnischen Beitrag zur Kunstavantgarde des 20. Jhs.? Wie kann es letztlich geschehen, dass am Vorabend des Zweiten Weltkrieges und des herrschenden Nationalsozialismus die polnische Kultur so stark aufblühen konnte? Auf diese und eine ganze Reihe anderer Fragen versuchen wir in neun Szenen eine Antwort zu finden.

Irgendwo im Hintergrund schwebt eines der Leitmotive der ganzen Ausstellung: Warum wurde Berlin für Polen – trotz der Nähe und Anziehungskraft – nie zum zweiten Paris? Einem Ort, der die berühmtesten Vertreter der polnischen Kultur und Wissenschaft anzieht und mit seinen Erfolgen die Kultur in Polen beeinflusst? Vielleicht ist aber gerade jetzt, nach dem EU- und Schengenbeitritt, die Zeit reif dafür?

Es gibt einige Zeichen, die darauf hindeuten: Tausende polnische Touristen, die nach Berlin kommen, um wichtige kulturelle Veranstaltungen und Ereignisse wahrzunehmen, das Aufblühen polnischer Künstler- und Wissenschaftsmilieus; letztlich die Stadt selbst, die auf der Suche nach einem neuen Selbstbild den neuen Initiativen offen gegenübersteht.

Szene I Kunst Heimatliches Europa Im Kreis der nationalen Tradition Avantgarde
Szene II Communitas
Szene III Film
Szene IV Theater
Szene V Wort
Szene VI Bohème

| Szene II
Communitas
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01. Foto von Benedykt Dybowski (1833-1930)
02. Foto von Hanna Kassmann- Hirszfeld und Ludwik Hirszfeld, Archiv des Instituts für Immunologie und Experimentelle Therapie „Ludwik Hirszfeld“ in Wrocław
03. Ignacy Pietraszewski
| Szene III
Film
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01. Titelblatt: Jan Kiepura und Friedl Czepa in dem Film „Im Sonnenschein“, Syndikat Film, „Filmwelt“
Nr. 17/1936, Akademie der Künste Berlin
02. Jan Kiepura vor einem Plakat der Staatsoper Unter den Linden in Berlin
(Gastspiel in den Opernaufführungen „Boheme“, Rigoletto“ ausverkauft), 6.11.1936,
ullstein bild
03. Pola Negri in dem Film „Sumurun“; Regie Ernst Lubitsch 1920, ullstein bild
| Szene IV
Theater
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01. Szenenfotos der ersten Fassung „Die Zofen“, Foto: Frank Roland Beeneken Privatarchiv Henryk Baranowski
02. Szenenfotos der ersten Fassung „Die Zofen“, Foto: Frank Roland Beeneken Privatarchiv Henryk Baranowski
03. Datum: 01.01.1930 Gruppe von Künstlerinnen 2. von links Margit Freud (Schriftstellerin), 3. von links Eleonora Kalkowska (Schriftstellerin), stehend Rose Veldtkirch (Schauspielerin), 5. von links Käthe Münzer-Neumann (Malerin), 6. von links Alice Michaelis (Malerin) 1930 veröffentlicht in BZ 24.10.1930 ullstein bild
04. Peter Weiss mit seiner Frau Gunilla Palmstierna-Weiss und Konrad Swinarski auf einer Probe zu „Marat-Sade“ 1964 ullstein bild – Heinz Köster
| Szene V
Wort
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01. Henryk Bereska
02. Witold Gombrowicz,fot. Susanna Fels
03. Witold Wipsza, fot. PAP